Gläserne Waschstraße von Lydia Haack + John Höpfner Architekten

19. Dezember 2016

Vielleicht liegt es daran, dass John Höpfner und Lydia Haack ihre ersten Berufsjahre in England verbrachten. Hier machten sie die Erfahrung, dass im Vergleich zu Kultur- oder Gewerbebauten der Industriebau als gleichwertige Bauaufgabe angesehen wird. Wenn ein solchermaßen angelsächsisch geschultes Berufsverständnis auf einen aufgeschlossenen bayerischen Bauherrn trifft, kann, wie sich bei der »Gläsernen Waschstraße« in Germering zeigt, eine bemerkenswerte Architektur herauskommen. Das fanden auch die Juroren des Balthasar-Neumann-Preises und nahmen die »Gläserne Waschstraße« in die Engere Wahl.

Eine bestehende Tankstelle an der Ortseinfahrt von Germering (westlich von München) galt es um Verkaufsräume, einen Betriebshof und eine Waschstraße zu erweitern. Um die Ortskante baulich zu fassen, entschieden sich die Architekten, die Waschstraße senkrecht zur Hauptverkehrsachse zu legen, auch um damit den Betriebshof zu verdecken und über den Einblick in die Waschhalle die Funktion des Gebäudes zu vermitteln. Der dreischiffige, verzinkte Stahlskelettbau ist 52 Meter lang, insgesamt 9,30 Meter breit, eingeschossig und mit einem Raum für Kompressoren und den Pumpensumpf teilunterkellert. Im Achsraster von 4,40 Meter bzw. 2,20 Meter an den Endfeldern wird ein eingespannter Rahmen mit Kragarmen in Längsrichtung zum Rahmenwerk verbunden und gründet auf einer Betonplatte.

Parallel zur eigentlichen Waschstraße sind auf der einen Seite die technischen Komponenten der Waschanlage installiert und ist auf der anderen Seite der Waschstraße ein Kundengang vorhanden. Die Transparenz der Fassade setzt sich auch im Innern fort, sämtliche Trennwände sind verglast und erlauben es, beim Durchmessen des Kundengangs dem Tanz der Reinigungsstrahler und dem Ballett der Lammfellbürsten beizuwohnen. Eine raffinierte Inszenierung, lässt sich doch der knapp dreiminütige Reinigungsprozess somit direkt erleben. Nichts sorgt mehr für eine positive Kundenbindung als den vom Bauherrn selbst entwickelten Reinigungsmaschinen neuester Technologie bei ihrer Arbeit zuzusehen.

Für den Baustoff Glas als Fassaden- und Innenwandmaterial entschied man sich aus ganz pragmatischen Gründen. Den aggressiven Umweltbedingungen in einer Waschstraße, also der starken Konzentration von Chemikalien gepaart mit einer hoher Luftfeuchtigkeit, die selbst Edelstahl angreifen, kann dieser Baustoff am besten standhalten. Das verwendete Profilglas ist resistent gegen die eingesetzten Reinigungsmittel, pflegeleicht und leicht zu warten beziehungsweise auszutauschen. Zwar ist eine voll verglaste Halle in der Regel thermisch kritisch, hier konnten aber die solaren Gewinne des südwestlich angeordneten Techniktraktes energiesparend der Fahrzeugtrocknung zugeführt werden.

Auch im Umgang mit Licht und Lichtstimmungen zeigten die Architekten ein feines Gespür für die eindrucksvolle Wirkung einer guten Ausleuchtung. Nachts wird die Anlage von innen beleuchtet und damit zu einer vielschichtigen, transparenten Bühne für den Auftritt von Maschinen, Autos, Kunden und Angestellten. Es ist wohl auch der Werbewirksamkeit dieses Auftritts zu verdanken, dass die »Gläserne Waschstraße« von Germering sämtliche wirtschaftlichen Erwartungen übertrifft. Mehr als 80 000 Fahrzeuge jährlich werden hier gereinigt und zaubern dem Tankstellenpächter ein zufriedenes Lächeln ins Gesicht.

Autor: Rolf Mauer

Lydia Haack + John Höpfner Architekten, haackhoepfner-architekten.de

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