Aus einem monolithischen, massiven Betonkörper, der einmal ein Trockendock war, schnitt die dänische Architektengruppe BIG – Bjarke Ingels Group das neue Danish Maritime Museum heraus. Den eigentlich vorgesehenen Innenraum machten Sie zum Außenbereich und schufen hinter den Dockwänden Museumsräume, die von einem feinen Gespür für dramatische Räume und Lichtsituationen zeugen.
Die Architekten von BIG versenkten das Museum in Sichtweite zur historischen Festung Kronborg im historischen Hafenschlick der dänischen Stadt Helsingør. Seit 2000 ist die Festung am Öresund ein Weltkulturerbe der UNESCO, aber nicht nur deswegen bekannt: William Shakespeare siedelte hier die Handlung seines Schauspiels Hamlet an.
Es wäre naheliegend gewesen, das große Volumen innerhalb des Trockendock zu nehmen um die für ein Museum nötigen Räume einzubauen. So formulierte es auch die Ausschreibung eines 2007 durchgeführten Wettbewerbes. Aber Bjarke Ingels wäre nicht der Shootingstar der Architektur, wenn ihm nicht ein noch abenteuerlicher Gedanken gekommen wäre: Er lies die riesige Kubatur des Trockendocks weitgehend leer. Die Museumsräume platzierte er hinter der umfassenden, massiven Betonwand des Docks im Erdreich des Hafens.
Für Bjarke Ingels ist das ein Zeichen des Respekts gegenüber dem historischen Gebäudebestand: „Um die Sicht auf die Festung nicht zu stören, musste das Museum völlig aus dem Blickfeld verschwinden. Allerdings brauchten wir für die Besucher auch eine starke Präsenz in der Öffentlichkeit, daher haben wir das Dock von Innen nach Außen gedreht.“ Die Dockwände fassen laut Ingels einen versunkenen Platz, der als öffentlicher Raum um acht Meter abgesenkt ist und mit den auffälligen Brückenkonstruktionen den Besucher im Zickzack zum Museumseingang und auch durch den Innenraum führt.
Die eigentlichen Museums- und Ausstellungsräume sind mit dem Parkettboden, weißen Wänden und Decken aus großformatigen Metallplatten betont schlicht gehalten und werden durch Kunstlicht versorgt. Die üppige Verwendung von Metalltafeln ist ungewohnt, da es kein für Museumsräume etabliertes Material ist und eher als Fassadenbaustoff gilt. Hier darf man es, als Zitat aus dem Schiffsbau, auch im Innenraum gelten lassen. Spannend ist das Gebäude besonders an den Stellen, an denen BIG die Dockwand durchschneidet und Platz schafft für natürliches Licht und großzügige Übergänge. Hier werden auch mit besonderer Lust an materiellen Gegensätzen fingerdicke transparente Glaswände den meterdicken Betonwällen gegenüber gesetzt.
Aus der Unterseite der „Kronborg Bridge“, einem in der Wettbewerbsausschreibung verlangten Übergang zur Festung, macht Ingels ein tageshelles, sehr großzügig verglastes Auditorium und auch gleichzeitig eine Rampe, die die beiderseits der Dockwände liegenden Museumsräume verbindet. Mit dieser von allen Seiten einsehbaren Innenarchitektur lockt der Architekt den Besucher mit shakespearscher Dramatik visuell ins Gebäude. Eine Fortsetzung der Idee Teile des Innenraums in den öffentlichen Raum zu stellen, ist die „Zig Zag Bridge“, die auf der Oberseite den Besucher als Rampe vom Platzniveau zum tiefgelegenen Museumseingang führt und an der Unterseite ebenfalls die Museumsräume untereinander verbindet. Als maritimes Zitat sind die Brückenbauteile an einer oberarmdicken Ankerkette abgehängt. Dort wo die Brücken an oder durch die Dockwand stoßen ergeben sich für den Innenraum wichtige Orientierungspunkte mit Ausblicken ins Freie.
Die Szenografie der niederländischen Architekten von Kossman Dejong nimmt die ungewöhnliche Architektur auf: Großformatige Fotos hängen in den Innenräumen der Brückenkonstruktionen vor den Glasfassaden frei von der Decke ab. Die Glasvitrinen übernehmen häufig das zentrale architektonische Moment der schrägen Linie, aber das ist nicht immer von Vorteil: Einige Einzelvitrinen lenken durch ihre formale Nacherzählung der Architekturidee vom ausgestellten Sujet ab.
Die stärkste Wirkung erreicht das Museum in den Abend- und Nachtstunden, wenn die Ausstellungsräume, unterstützt von der großartigen Kunstlichtszenerie, die Blicke der an der Dockreling stehenden Besucher hypnotisch hinein ziehen. Die Fassadengläser, die während des Tages durch ihre Reflexionen Einblicke verzerren und behindern, ermöglichen bei Dunkelheit den ungehinderten Durchblick. Das Museum wirkt dann mit seinem gespiegelten Umgang von Innen und Außen wie das Vexierbild eines klassischen Gebäudes.
Autor: Rolf Mauer